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"Der Tod im Topf"

Sonderausstellung vom 16.10. bis 30.11.2001 im Römermuseum Kastell Boiotro

In den Jahren 1977-1985 wurde südlich von Oberpeiching ein Gräberfeld mit 172 Bestattungen des 1.- 3. Jahrhunderts n. Chr. Geb. entdeckt und vom Bayer. Landesamt für Denkmalpflege ausgegraben.

Brand- und Körpergräber spiegeln die Breite antiken Totenbrauchtums und zeitgenössischer Beigabensitten wider. Urnengräber, Säuglingsbestattungen oder "gefährliche Tote" führen vor Augen, wie der antike Mensch über das Ende seines Lebens und über die Existenz nach dem Tod gedacht hat. Die Grabbeigaben dokumentieren religiöse Vorstellungen und Jenseitshoffnungen: Große Sorge galt dem Wohlergehen des Verstorbenen, der in der dunklen Unterwelt ein blutleeres Schattendasein führte.

Darüber hinaus vermittelt die Ausstellung einen Eindruck von der Ausgrabung und den Methoden moderner Archäologie. Friedhöfe der Vor- und Frühgeschichte unseres Landes verlangen nicht nur als Bodendenkmal unseren Schutz. Sie fordern auch als Ort von Trauer und Erinnerung Respekt. Es gehört zu den wichtigen Aufgaben der staatlichen Denkmalpflege, vor Ort über ihre Arbeit zu berichten, und den Bürger für die historischen und denkmalpflegerischen Probleme seiner Heimat zu interessieren. Wir danken der Stadt Memmingen für die Möglichkeit zu dieser Bilanzausstellung, mit der wir dazu beitragen möchten, die Heimatforschung im Schwaben zu bereichern und zu beleben.

Konzept, Organisation, Texte: Dr. Wolfgang Czysz (Bayer. Landesamts für Denkmalpflege, Außenstelle Bayerisch-Schwaben im ehem. Kloster Thierhaupten) Leihgaben: Archäologisches Museum der Stadt Donauwörth (Oberbürgermeister Dr. A. Böswald, G. Reißer M.A.); Heimatmuseum Günzburg (W. Grabert M.A.)

Die Ausstellung wurde vom Bezirk Schwaben und der Stadtsparkasse Rain a. Lech finanziell unterstützt.


Die Römer im Donautal

Das bayerische Alpenvorland wurde im Jahr 15 v. Chr. durch die Stiefsöhne des Kaisers Augustus (23 v.-14 n. Chr.), Drusus und Tiberius, erobert. Zur Sicherung der neuen Provinz Raetia et Vindelicia errichtete Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.) eine Kastellkette auf dem südlichen Hochufer der Donau.
Damals entstand auf einem Geländesporn über der Donau das Kastell Burghöfe-Submuntorium bei Mertingen. Dort endete die via Claudia Augusta, eine der wichtigen transalpinen Fernverkehrsstraßen, die das Mutterland mit der neuen Grenzprovinz verband.
Verkehrsgeographisch bedeutsam war nicht nur der Donauübergang nach Norden. Die Römerstraße auf dem südlichen Flußufer (via iuxta Danuvium), die von der oberen Donau bis zum Schwarzen Meer führte, überschritt den Lech südlich von Oberpeiching wahrscheinlich auf einer Holzbrücke.
Auf dem östlichen Lechhochufer entstand wohl noch in der Regierungszeit des Kaisers Tiberius (14-37 n. Chr.) eine Brückenkopfstation, der möglicherweise ein Militärposten vorausgegangen war. Solche Kleinkastelle hatten die Aufgabe, den Waren- und Grenzverkehr zu kontrollieren und den Lechübergang zu sichern.


Ausgrabung und Spurensicherung

Das Aussehen der Oberpeichinger Siedlung kennen wir noch nicht. Ein Rasthaus für Kuriere, Reisende und Geschäftsleute mit Bad, eine Reparaturschmiede und eine Pferdewechselstation sind zu vermuten.
Jede auf Dauer angelegte Niederlassung besaß ihren eigenen Friedhof, der nach römischer Sitte außerhalb der Ortschaft entlang einer Straße angelegt wurde. 1977-1985 sind südlich von Oberpeiching 172 Bestattungen des 1.-3. Jahrhunderts n. Chr. durch das Bayer. Landesamts für Denkmalpflege ausgegraben worden.
Nach Abtrag des Pflughorizonts zeichneten sich die meisten Grabgruben durch ihre dunkle, mit Holzkohle durchsetzte Verfüllung vom hell-sandigen gewachsenen Boden ab. Die untersuchten Brand- und Körpergräber spiegeln die Breite antiken Totenbrauchtums und zeitgenössischer Beigabensitten wider. Urnengräber, Säuglingsbestattungen oder "gefährliche Tote" führen vor Augen, wie der antike Mensch über sein Ende und vor allem über die Existenz nach dem Tod gedacht hat.
Die Grabbeigaben dokumentieren religiöse Vorstellungen und Jenseitshoffnungen: Größte Sorge der Hinterbliebenen galt dem Wohlergehen des Verstorbenen, der in der dunklen Unterwelt ein Schattendasein führte.


Salve, Vale, Ave

Mit diesem Gruß verabschiedete sich die Familie von dem Verstorbenen, dem sie durch eine würdige Beisetzung einen ehrenvollen Abgang aus dieser Welt verschaffen wollte. Aus der antiken Literatur kennen wir zahlreiche Berichte von Bestattungen, die uns ein lebendiges Bild von Recht und Ritus, Kult und Opfer am Grab vermitteln.
Der Verstorbene wurde in einem Leichenzug (pompa) zum Friedhof gebracht, wo jede Familie ein von der Priesterschaft zugewiesenes Grabareal besaß. Der Tote wurde stets in seiner Alltagstracht auf dem Scheiterhaufen (rogus) verbrannt. Die Einäscherung sollte die Lösung der Seele vom Körper erleichtern; zugleich wurden die sterblichen Überreste den Göttern als Opfer dargebracht.
Nachdem die Asche ausgelesen und in Tuch eingeschlagen war, wurde sie meist in einer Urne (urna, olla) beigesetzt. Anschließend begann mit dem Totenmahl eine Opferzeremonie, mit der die Götter der Unterwelt besänftigt und die Angehörigen, die mit dem Toten in Berührung gekommen waren, wieder kultisch gereinigt werden sollten. Damit kam der Tote zu seinem Recht und seiner verdienten Ruhe.


Der Tod im Topf

Schon das älteste niedergeschriebene Recht der Römer, das Zwölftafelgesetz aus dem 5. vorchristlichen Jahrhundert, kannte zwei Arten der Bestattung, das Vergraben des Leichnams (sepelire) und das Verbrennen (urere). Andere Formen wie Höhlen-, Baum- oder Wasserbestattungen kannte die römische Antike nicht.
Erdbestattungen (Körpergräber) waren zu allen Zeiten und in allen Teilen des Römerreichs verbreitet und bekannt. Vornehme Familien in Rom hatten seit jeher an dieser Sitte festgehalten und ihre Toten in kostbaren Sarkophagen bestattet.
Aber auch Kinder unter dem Alter von sieben Monaten sind, wenn nicht beim Haus, so doch stets unverbrannt auf den Friedhöfen begraben worden. Sonderbestattungen galten Blitzopfern, Verbrechern oder anderen, aus der Gemeinschaft verstoßenen, "gefährlichen Toten", die mitunter bei lebendigem Leib begraben wurden.
Am häufigsten jedoch war die Einäscherung des Toten auf einem Scheiterhaufen. Der Leichnam verbrannte innerhalb einer Stunde bei Temperaturen um 800-1000 Grad C. In großen Mengen wurden Weihrauch, Kräuter und wohlriechende Balsame mitverbrannt, den Göttern zur Speise, aber auch, um den strengen Geruch der Kremation zu überdecken.


Die letzte Reise

Weit verbreitet war die Vorstellung, daß der Tote in ein Haus unter der Erde einzog und weiterhin durch Opfer und Totenmahlzeiten zufriedengestellt werden mußte. Aus Angst vor seiner Wiederkehr bemühte man sich, alle Grabvorschriften genau einzuhalten.
Es war deshalb eine der ersten Pflichten der Angehörigen, weiterhin auch für das leibliche Wohlergehen des Verstorbenen durch Speise und Trank zu sorgen. Im Grab finden sich häufig Rückstände von z.T. bewußt zerschlagenem Geschirr, Eßtellern, Trinkbechern und Wasserkrügen des Leichenschmauses, an dem der Tote soeben selbst noch "teilgenommen" hatte.

Zahlreiche Bei-Gaben begleiteten ihn ins Schattenreich: Überall kannte man den alten Brauch, eine Münze (Obolus) für den Fährmann Charon mitzugeben, der die Toten über den Unterweltfluß Styx übersetzte. Hinzu kamen beim Mann Siegelring, Schreibzeug, Amulette, und Spiele oder bei der Frau Schmuck, Toilettengerät und Schminkutensilien.

Eine wichtige Rolle bei den Totenfeierlichkeiten spielte die Öllampe, die ins Grab gestellt wurde, weil sie nach mediterraner Vorstellung Licht und Wärme in die Dunkelheit der Unterwelt brachte. Terrakottatiere (Hühner, Tauben) wurden aufs Grab gestellt und den Göttern als Ersatz für blutige Opfer dargebracht.


Grabgarten und Hügelgrab

Trotz der dichten Friedhofsbelegung entlang der Straße stören einzelne Bestattungen einander nicht. Daraus schließt man mit Recht, daß sie oberirdisch mit kleinen Erdhügeln und beschrifteten Brettern gekennzeichnet waren. Wer es sich leisten konnte, der sorgte schon zu Lebzeiten für einen Grabstein. In Oberpeiching fehlen sie allerdings.
Zwei Bestattungen fallen durch Kreisgräben auf, die an prähistorische Grabhügel erinnern. Vermutlich sollte der Tote durch solche magischen Bannzirkel an der Wiederkehr gehindert werden.
Die rechteckige, zur Straße hin geöffnete Anlage im mittleren Friedhofsareal wird als Grabgarten gedeutet. Er war von einer Hecke umgeben. Hier feierten die Angehörigen, abgeschieden vom vorbeiziehenden Verkehr der Straße, die Totengedenktage, die eine wichtige Rolle im Jahresablauf spielten. Am alten römischen Jahresende wurden die parentalia (13.-21. Februar) aus Verbundenheit mit den Ahnen gefeiert. Die lemuralia beging man dagegen aus Furcht vor den Totengeistern am 9., 11. und 13. Mai. Der am häufigsten geübte Brauch war das Rosenfest, die rosalia. Die Rosentage fanden zwischen dem 11. Mai und 15. Juli statt. Sie leben übrigens im christlichen Kult in der domenica rosata, dem Pfingstsonntag, weiter.


Leihgaben: Archäologisches Museum der Stadt Donauwörth (Oberbürgermeister Dr. A. Böswald, G. Reißer M.A.); Heimatmuseum Günzburg (W. Grabert M.A.)
Die Ausstellung wurde freundlicherweise vom Bezirk Schwaben und der Stadtsparkasse Rain a. Lech finanziell unterstützt.
Eine Bitte in eigener Sache: Bei Fundmeldungen oder anderen Beobachtungen, die für die Archäologie von Bedeutung sein könnten, wenden Sie sich bitte vertrauensvoll an das

Bayer. Landesamt für Denkmalpflege
Außenstelle Schwaben
Klosterberg 8
88672 Thierhaupten
Telefon 08271/81570
Telefax 08271/815750


Text: Dr. J.P. Niemeier

Kontakt Stadtarchäologie Passau
Dr. Thomas Maurer
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